Wie intelligent ist Ihre Fertigung oder wie kann sie es werden?

Review: ACOD-Fachdialog „Künstliche Intelligenz in der Automobilindustrie“ am 22.06. im BMW Group Werk Leipzig

Unter den Schlagwörtern „Wertschöpfungskette, Entmystifizierung, Praxisnah“ fand im Juni der sechste ACOD-Fachdialog statt, der sich dem vieldiskutierten Thema „Künstliche Intelligenz“ widmete. Charakteristisch für dieses Veranstaltungsformat ist der offene Austausch miteinander. Dabei spielt Hierarchie, Unternehmensgröße, Umsatz oder Stellung in der Wertschöpfungskette nur eine untergeordnete Rolle – wichtig ist den Herausforderungen in unserer Industrie so gut wie möglich zu begegnen. Dabei sind Erfahrungen, die andere gemacht haben, äußerst wertvoll.

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Zusammenstellung Eindrücke ACOD-Fachdialog © ACOD

Erste konkrete Praxis-Beispiele für den Einsatz von sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI) konnten die Teilnehmenden bei einer spezifischen Führung in das Herz der BMW-Produktion machen. Aus Gründen der Vertraulichkeit können an dieser Stelle keine weiteren Angaben zum Inhalt gemacht werden. Nur so viel: Der erste Funke sprang bereits zum Beginn rege zwischen den knapp 80 Veranstaltungsteilnehmer:innen hin und her und der Moderator Peer Braun (Mercedes Benz Ludwigsfelde) hatte wenig Mühe das Thema zum Leben zu erwecken.

Die ersten inhaltlichen Paukenschläge waren die beiden Keynotes, der OEM-Vertreter. Unter dem Leitsatz (jedes KI-Projekts) „Vor der Lösung steht das Problem“, präsentierten zunächst Thomas Priemuth von BMW und anschließend Dr. Andreas Schmidt der Leiter Qualität von Porsche Leipzig den Stand in den beiden OEM-Werken. Beeindruckend war dabei nicht nur der hohe Automatisierungs- und Digitalisierungsgrad, sondern das klare Bekenntnis zur KI in der Produktion. „Eine Glaskugel ist das noch nicht ganz, aber wir können bereits ein Stück in die Zukunft schauen“, so Dr. Schmidt. Auch verwandte Themen wie der Einsatz digitaler Zwillinge und der digitale Meisterblock wurden direkt mit dem Publikum diskutiert – Fazit: Schnallen Sie sich an, denn was da an Innovation in der industriellen Produktion und Fertigung auf uns zu kommt, wird alles verändern. Und das auch für die Zulieferer…

Im zweiten Teil vor der Mittagspause warnte der Moderator des Formats „hit and miss“ Michael Bätz eindringlich „Der autonome Bus ist schon unterwegs, verpassen Sie jetzt nicht den Aufsprung“ und meinte damit nicht direkt selbstfahrende Fahrzeuge, sondern die Werkzeuge, die bereits heute in der Fertigung eingesetzt werden. Die Session war ein bewusster Kontrast zu den glänzenden Vorträgen der OEMs. Wie realistisch sind KI-Projekte für kleine und mittelständige Unternehmen und wo lauern Stolperfallen? Kann ich aus den Fehlern, die andere bereits gemacht haben lernen? Diskutiert haben dabei der Data Scientist, Christian Walter von der Westsächsischen Hochschule Zwickau und der Versuchsfeld-Leiter des Drahtziehmaschinenherstellers Kieselstein Gerald Walter. Letzterer skizzierte welche konkreten Schritte notwendig sind, um auch ein kleines Unternehmen fit für KI zu machen. Christian Walter ergänzte seine Erfahrungen zu den häufigsten Fehlerquellen. Denn „nur 5 % der KI-Projekte in Deutschland sind erfolgreich – das müssen wir ändern!“ so der Moderator Bätz am Ende der Session.

„Das Thema darf nicht abstrakt betrachtet, sondern schnörkellos und entmystifiziert“ rief der Moderator Braun den Anwesenden nach der Mittagspause in Erinnerung und leitete damit über zu den drei Podiumsgesprächen, die in drei Blöcken die Wertschöpfung der KI abbildeten. Grundlage dieser Aufteilung ist eine Abwandlung des CRISP DM Modell, das als industrieübergreifender Standardprozess für Data Mining verwendet wird.

Wichtigste Grundlage für ein KI-Projekt in der Produktion sind, neben Prozessverständnis und Problemfokussierung, die Daten. Wie diese gesammelt, gespeichert und geordnet werden können wurde im Podium und gemeinsam mit dem Publikum diskutiert. Uwe Scharf, Prozessingenieur bei Vitesco hatte zudem das Thema „Data-Security“ auf dem Zettel (und der Folie) und auch Dr. Olaf Enge-Rosenblatt vom Fraunhofer IIS pflichtete ihm bei: „Metadaten wie z.B. Energieverbrauch zu schützen ist enorm wichtig.“ Dabei geht es weniger um Hacking von Systemen, sondern ganz simpel um Rückschlüsse, die Mitbewerber, Investoren oder Shareholder aus den Daten ziehen können. Sammeln, Sortieren, Sichern!

<Podiumsdiskussion> Das Modell: Die KI - Entwicklungsphase
<Podiumsdiskussion> Das Modell: Die KI - Entwicklungsphase © ACOD

Darauf aufbauend widmete sich die nächste Podiumsdiskussion dem Motor der KI: Dem Algorithmus, also dem Modell, mit dem die Daten erfasst und interpretiert werden. Wer programmiert? Gibt es so etwas wie ein KI-Lastenheft? Und warum nochmal das ganze? Ralph Fiehler von der KSG GmbH (größter Leiterplattenhersteller in Europa) legt sich fest: „Dem hohe Wettbewerbsdruck durch den asiatischen Markt auf der einen, der Druck der Bundesrepublik zum nachhaltigen Wirtschaften auf der anderen Seite, müssen wir mit Innovation begegnen!“ Der Geschäftsführer des Cluster IT, Gerd Neudert führte die Diskussion geschickt zum Kern der Sache: Was ist denn konkret wichtig in der Entwicklungsphase von KI? Eine einfache Antwort fällt schwer; Matthias Rothfuchs vom Softwaredienstleiter baitech data wagt dennoch einen Versuch: „Wichtig ist es den Begriff des Modells zu definieren und sich dann auf eine einheitliche Sprache festzulegen und seinen Plan auszurichten.“ Na dann mal ran an die KI!

Im letzten Block diskutierte das Podium über die Implementierung in die Praxis, den nachhaltigen Erfolg von Lösungen und den menschenzentrierten Ansatz von KI-Projekten. Der Mann aus der Praxis Maik Bochmann von Magna Exteriors in Meerane kann bereits auf mehrere erfolgreichen Projekte in seinem Haus zurückblicken. Er konstatiert: „Das Allerwichtigste ist den Werker von Anfang an mit in den KI-Entwicklungsprozess mit einzubinden, Was findet statt? Was wird verändert? Welche Benefits werden für den Werker generiert?“ Diese Erfahrung kann Dr. Franziska Bocklisch auch wissenschaftlich unterstreichen. Sie leitet die Gruppe Kognitives Teaming von Mensch und Cyber-Physischen Produktionssystemen am Fraunhofer IWU. Nehmen Sie Ihre Mannschaft mit auf dem Weg – von Anfang bis zum Ende Ihres Projekts!

Bis zur Zusammenfassung und Verabschiedung durch Peer Braun herrschte rege Diskussionsbeteiligung. Und selbst darüber hinaus wurden in kleinen Gruppen die Köpfe zusammengesteckt.

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