Quiet Quitting: Vom Social-Media Trend in die Arbeitswirklichkeit der Unternehmen

Seit einiger Zeit kursiert in den sozialen Medien unter jungen Arbeitnehmern das Schlagwort des sog. Quiet Quittings. Insbesondere auf der Plattform TikTok finden sich zahlreiche Videos, in denen junge Menschen ihr nüchternes Verhältnis zum Arbeitsplatz beschreiben. Auch wenn dieses Phänomen nicht neu ist, hat es durch die digitale Verbreitung verstärkt Aufmerksamkeit bekommen. Das hinter dem Quiet Quitting liegende Phänomen wird dabei zunehmend zu einer Herausforderung für Arbeitgeber. Insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des damit einhergehenden Fachkräftemangels sind gut ausgebildete, leistungsfähige und motivierte Arbeitnehmer für Unternehmen eine knappe "Ressource". Worum genau es sich beim Quiet Quitting handelt und wie diesem Phänomen begegnet werden kann, lesen Sie in diesem Beitrag.

Innere Einstellung zur Tätigkeit

Anders als der Begriff zunächst vermuten lässt, handelt es sich beim Quiet Quitting gerade nicht um eine "stille" bzw. "innere Kündigung" des Arbeitnehmers. Vielmehr wird hierdurch der Umstand beschrieben, dass Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz nur "das Nötigste" tun. Quiet Quitter leisten lediglich "Dienst nach Vorschrift" und lehnen jede Form des überobligatorischen Einsatzes ab.

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie reichen von Über- oder Unterforderung über fehlende Identifikation mit dem Arbeitgeber und mangelnder Wertschätzung bis hin zu einer generellen Sichtweise der beruflichen Tätigkeit als notwendiges Übel zur Finanzierung des Lebensunterhalts. Der Begriff beschreibt also weniger eine äußere Handlung als vielmehr eine innere Einstellung zur Arbeit. Diese Einstellung geht jedoch nicht notwendigerweise mit einer mangelhaften oder schlechten Arbeitsleistung einher. Auch sind Quiet Quitter in der Regel mit ihrem Tätigkeitsbereich einverstanden – sie sind jedoch nicht bereit zu zusätzlichem Engagement.

Wachsende Herausforderung für Arbeitgeber

Die Risiken des Quiet Quittings sind facettenreich und können erhebliche negative Auswirkungen auf das Arbeitsumfeld und den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen haben.

Die eingeschränkte Zusammenarbeit im Team, die aus fehlender Kommunikation und Engagement resultiert, birgt ein hohes Konfliktpotenzial. Die Haltung eines Quiet Quitters kann ferner zu einer ungleichmäßigen Arbeitsbelastung führen, wenn sich einige Teammitglieder darauf beschränken, nur das Mindestmaß zu leisten, während andere versuchen, die entstehenden Lücken durch zusätzlichen Arbeitseinsatz zu kompensieren. Konsequenzen hieraus können geringere Arbeitserfolge und finanzielle Verluste für das Unternehmen sein, da die Effizienz und Produktivität beeinträchtigt werden. Arbeitgeber können es sich aufgrund des zuspitzenden Fachkräftemangels schlicht nicht mehr leisten, unmotivierte Arbeitnehmer zu beschäftigen, denn infolge geringerer Einsatzbereitschaft können bestehende Potentiale für Unternehmen nicht nutzbar gemacht werden.

Abgrenzung zu Low-Performern

Die rechtliche Einordnung des Quiet Quittings in arbeitsrechtliche Kategorien fällt nicht leicht, denn im Kern geht es bei diesem Phänomen darum, dass Arbeitnehmer gerade so viel arbeiten, wie sie müssen, um formal ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllen. Insoweit ist das Quiet Quitting von der sog. Low-Performance zu unterscheiden. Für den Low Performer ist eine dauerhaft mangelhafte oder langsame Arbeitsleistung charakteristisch, während Quiet Quitting lediglich darauf abzielt, sich auf die vertraglich vereinbarte Leistung zu beschränken („Dienst nach Vorschrift“). Der Quiet Quitter ist leistungswillig und erbringt seine Arbeitsleistung grundsätzlich im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Pflichten.

Quiet Quitting als arbeitsrechtliche Pflichtverletzung

Trotzdem kann auch Quiet Quitting eine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis begründen. Dies ist dann der Fall, wenn durch den Arbeitnehmer die Schwelle zur "Schlechtleistung" überschritten wird.

Es gilt im Arbeitsverhältnis grundsätzlich der subjektive Leistungsbegriff, nach dem der Arbeitnehmer einen unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit obliegenden Einsatz schuldet. Ein Arbeitnehmer muss danach „tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann“. Kommt es also dazu, dass ein Arbeitnehmer die ihm obliegenden Aufgaben zwar weiterhin erledigt, sein Arbeitsvolumen jedoch bewusst herunterschraubt, eine andere, ggf. langsamere, Arbeitsweise aufweist und dies möglicherweise auch die Qualität seiner Arbeitsergebnisse negativ beeinflusst, kann es sich hierbei um eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung handeln.

Arbeitsrechtliche Handlungsoptionen

Für eine genaue rechtliche Abwägung ist Arbeitgebern in solchen Fällen eine längerfristige Beobachtung, Beurteilung und entsprechende Dokumentation der Arbeitsergebnisse eines vermeintlichen Quiet Quitters anzuraten. Auf diesem Weg kann belegt werden, dass die derzeitige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers unter seiner vormals bereits erwiesenen individuellen Leistungsfähigkeit liegt und eine unzulässige Form der bewussten Zurückhaltung der Leistungskraft vorliegt. Ferner kann so im Rahmen einer Vergleichsgruppenbildung ein Abgleich mit der (bisherigen) Leistung ähnlicher Arbeitnehmer vorgenommen werden.

Dieses Vorgehen schafft eine Grundlage für mögliche rechtliche Maßnahmen gegenüber Quiet Quittern. Zu etwaigen kündigungsrechtlichen Maßnahmen ist jedoch nur zu raten, wenn ein Arbeitgeber tatsächlich in der Lage ist, konkret vorzutragen, welche Leistungsmängel vorliegen. Aus Arbeitgeberperspektive sind die Erfolgsaussichten solcher Verfahren jedoch regelmäßig gering, denn eine tatsächliche subjektive Schlechtleistung ist in der Praxis nur äußerst schwer nachzuweisen.

Aufgrund der begrenzten rechtlichen Handhabe gegen Quiet Quitting sollten Arbeitgeber auch anderweitige Reaktionsmöglichkeiten in Betracht ziehen. So können Unternehmen positive Anreize schaffen, die zu einer erhöhten Motivation und Leistungsbereitschaft führen können. Eine Wertschätzung seitens der Vorgesetzten und Mitsprachemöglichkeiten durch regelmäßige Gespräche tragen beispielsweise maßgeblich zur Mitarbeiterzufriedenheit bei. Auch können Sonderzahlungen oder Beförderungen von einem besonderen Einsatz für das Unternehmen abhängig gemacht werden. Das Schaffen eines positiven Betriebsklimas kann darüber hinaus dazu beitragen, die emotionale Bindung der Arbeitnehmer an das Unternehmen zu stärken.

 

 
Prof. Dr. Marion Bernhardt
Rechtsanwältin | Partnerin
 

 

Dr. Ulrich Becker
Rechtsanwalt I Partner
 

 

 

Sven Groschischka
Rechtsanwalt | Counsel

 
 

 

 

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