Editorial - ACOD News 8/2023

Dr. Jens Katzek, Geschäftsführer ACOD

Das Gefühl, im falschen Film zu sein, kennt jeder von uns. Manchmal verstärkt sich dieser Eindruck noch, wenn man zwei Pressemeldungen kurz hintereinander liest. So jedenfalls erging es mir, als ich zuerst auf aktuelle Zahlen des VDA stieß, dass im 1. Halbjahr 2023 die Produktion von Elektro-Pkw in Deutschland besonders stark gewachsen ist. 673.000 E-Pkw wurden in dieser Zeit gefertigt. 93 % mehr als im Vorjahreszeitraum!

Damit haben wir bei der Produktion von E-Pkw die USA überholt und liegen nun weltweit auf Platz 2! Das ist doch mal ein Grund zum Jubeln! In keinem anderen Land in Europa wurden in diesem Zeitraum mehr E-Pkw produziert als in Deutschland! Soviel zum guten Teil der "Lesestunde". 

Am selben Tag gab es jedoch noch anderes zu vermelden, bei dem der Eindruck entstand, dass die Politik mit dem Holzhammer Dinge wieder einreißt, die zuvor mühsam – auch auf Druck der Politik – aufgebaut wurden.

Mit dem VDA, dem VDMA und dem ZVEI haben gleich drei große Industrieverbände in einer gemeinsamen Pressemitteilung die Notbremse gezogen und sich gegen das aktuell von der EU geplante pauschale Verbot einer ganzen Klasse von Chemieprodukten gewandt: "Kein Windrad, kein Energiespeicher, kein E-Auto, keine Halbleiter. Ohne per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) lassen sich die Schlüsseltechnologien der Transformation zur Klimaneutralität nicht produzieren und damit die Energie- und Mobilitätswende nicht umsetzen."

Die Elektromobilität, in der wir gerade in Ostdeutschland eine führende Rolle eingenommen haben, ist die zentrale Technologie auf dem Weg zur klimaneutralen Mobilität der Zukunft und zentraler Teil des European Green Deals der EU. Und "ohne PFAS", so die VDA-Präsidentin Hildegard Müller, "sind heute weder die bestehenden Fahrzeuge noch zukünftige Fahrzeugtechnologien denkbar."

Ähnlich äußert sich VDMA-Präsident Karl Haeusgen: "Ein umfassendes PFAS-Verbot gefährdet viele grüne Technologien, von Windenergieanlagen über die Wasserstofferzeugung bis hin zur Produktion von Brennstoffzellen. Komponenten aus PFAS sind für diese Produkte und auch für ihre industriellen Herstellungsprozesse unverzichtbar." Den Widerspruch, dass mit der einen Hand einreißt, was man zuvor mit der anderen aufgebaut hat, problematisiert ZVEI-Präsident Gunther Kegel: "Halbleiter sind für Europa unverzichtbar. Die EU fördert den Aufbau eines leistungsstarken Halbleiter-Ökosystems u. a. mit dem EU Chips Act und dem IPCEI Mikroelektronik. Ein pauschales PFAS-Verbot stände diesem Ziel entgegen."

All das hat mit konsistenter Politik herzlich wenig zu tun!! Ich jedenfalls stimme Gunther Kegel zu: "Um diesen Zielkonflikt zu lösen, müssen PFAS risikobasiert betrachtet werden, nicht pauschal mit dem Holzhammer."

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