Die Senkung der Einkommensgrenze beim Elterngeld – arbeitgeberseitige Reaktionsmöglichkeiten

Das Bundesfamilienministerium muss sparen. Der Haushaltsentwurf 2024 sieht für das Bundesfamilienministerium eine Kürzung der Ausgaben vor – davon wird vor allem das Elterngeld betroffen sein. Die Einkommensgrenze für das Elterngeld soll für Paare und Alleinerziehende gleichermaßen ab dem 1. Januar 2024 auf EUR 150.000 gesenkt werden. Mit der Reduzierung der Zahl der Anspruchsberechtigten soll eine Kürzung des Elterngeldes für alle Eltern verhindert werden. Was dies für die einzelnen Familien bedeutet und wie Arbeitgeber hierauf reagieren können, soll in diesem Beitrag erörtert werden.

Die Einkommensgrenzen

Bislang konnten Paare kein Elterngeld beziehen, wenn sie ein gemeinsames zu versteuerndes Einkommen von mehr als EUR 300.000 erzielten. Bei Alleinerziehenden lag diese Grenze bei einem zu versteuernden Einkommen von EUR 250.000. Die neue Einkommensgrenze wird einheitlich auf EUR 150.000 herabgesenkt.

Dabei entspricht die Einkommensgrenze nicht dem Bruttoeinkommen. Von dem Bruttoeinkommen werden noch steuerlich in Abzug gebracht:

  • Sonderausgaben,
  • Vorsorgeaufwendungen,
  • Freibeträge,
  • außergewöhnliche Belastungen.

Auf die Summe von EUR 150.000 kommen damit Paare, die gemeinsam ein Bruttoeinkommen von rund EUR 180.000 haben und Alleinerziehende mit rund EUR 174.000 Bruttoeinkommen.

Die Auswirkungen der Neuerung

Im Jahr 2026 werden vermutlich rund 60.000 Paare von der Neuregelung betroffen sein. Damit fällt für 4,5 Prozent der Eltern das Elterngeld weg. Zwar sind diese Zahlen für die politischen Erwägungen gering, jedoch kann in diesen Fällen der eigentliche Sinn und Zweck des Elterngeldes, die finanzielle Unabhängigkeit zwischen Mann und Frau, gefährdet werden.

Deshalb ist es erforderlich, dass sich Betriebe schon frühzeitig über mögliche Kompensationsmöglichkeiten informieren und diese mit zukünftigen Eltern rechtzeitig absprechen.

Die rechtlichen Grundlagen zum Bezug des Elterngeldes

Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) beträgt die Höhe 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes, höchstens jedoch EUR 1.800 (§ 2 BEEG). Die Bezugsdauer liegt regelmäßig bei 12 Monaten, ist aber bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats möglich (§ 4 BEEG).

Anspruchsvoraussetzung ist nach § 1 Abs. 1 BEEG, dass die beantragende Person ihren Wohnsitz in Deutschland hat, mit ihrem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht und im Bezugszeitraum keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

Die Anrechnung während des Bezugszeitraums

Während des Bezugszeitraums werden gemäß § 3 BEEG folgende Leistungen auf das Elterngeld angerechnet:

  • Mutterschaftsleistungen ab dem Tag der Geburt des Kindes, also insbesondere Mutterschaftsgeld der gesetzlichen Krankenversicherung und Zuschüsse des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld,
  • Dienst- und Anwärterbezüge ab dem Tag der Geburt des Kindes,
  • Vergleichbare Familienleistungen außerhalb Deutschlands oder gegenüber einer internationalen Einrichtung, insbesondere elterngeldähnliche Leistungen anderer EU-Länder,
  • Elterngeld für ein älteres Kind,
  • Andere Entgeltersatzleistungen, z.B. Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Rente.

Weiterhin wird Elterngeld grundsätzlich nur für die Zeit gezahlt, in welcher die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit bezieht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG). Ist die elterngeldberechtigte Person während der Elternzeit erwerbstätig, wird das Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit ebenfalls auf das Elterngeld angerechnet. Dabei gelten in Bezug auf das bei der Anrechnung zu berücksichtigende Einkommen im Wesentlichen dieselben Regelungen wie bei der Bestimmung des Einkommens nach § 2 BEEG zur Berechnung der Höhe des Elterngeldes.

Die Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens

Die Ermittlung des zu berücksichtigenden Erwerbseinkommens bei nichtselbstständiger Tätigkeit folgt den Regelungen des § 2c BEEG. Dabei ist insbesondere der laufende Arbeitslohn anzurechnen, § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 EStG. Nicht angerechnet werden hingegen sonstige Bezüge, § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG.

Anrechenbar sind dabei beispielshaft:

  • Lohn- und Gehaltszahlungen,
  • Mehrarbeitsvergütungen,
  • Zuschläge und Zulagen,
  • geldwerte Vorteile aus der ständigen Überlassung von Dienstwagen zur privaten Nutzung,
  • pauschaler, steuerpflichtiger Auslagenersatz, der dem Arbeitnehmer monatlich gewährt wird,
  • monatliche Beiträge des Arbeitgebers für eine zusätzliche Krankenversicherung.

Nicht anrechenbar sind hingegen:

  • dreizehnte oder vierzehnte Monatsgehälter,
  • Weihnachts- und Urlaubsgeld,
  • Prämien und Erfolgsbeteiligungen,
  • Entschädigungen zur Abgeltung nicht genommenen Urlaubs,
  • einmalige Vergütungsbestandteile,
  • Abfindungen,
  • steuerpflichtige Heirats- und Geburtsbeihilfen,
  • steuerpflichtige Geburtstagsgeschenke,
  • geldwerte Vorteile aus der unregelmäßigen Überlassung von Dienstwagen zur privaten Nutzung,
  • pauschaler, steuerpflichtiger Auslagenersatz, der dem Arbeitnehmer unregelmäßig gewährt wird,
  • Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der später als drei Wochen nach Beginn des neuen Jahres zufließt
  • Unternehmensbeteiligungen (Geschäftsanteile oder Aktien).

Bei der Zahlung von Provisionen ist zu unterscheiden, ob diese im gleichen Zahlungsturnus wie das Grundgehalt gezahlt werden (dann stellen sie Arbeitslohn dar), oder ob diese seltener, z.B. quartalsweise, ausgezahlt werden (dann stellen sie nicht anrechenbare Bezüge dar).

Die Wertguthabenvereinbarung – eine Lösung?

Betriebe können mit ihren Mitarbeitenden eine Wertguthabenvereinbarung i.S.d § 7b SGB IV treffen. Eine solche ist für Zeiten der Elternzeit explizit möglich (§ 7c Abs. 1 Nr. 1 b) SGB IV). Dabei wird in einem bestimmten Zeitraum Arbeitsentgelt in das Wertguthaben eingebracht, um es zu einem späteren Zeitraum zu entnehmen.

Somit kann vereinbart werden, dass ein Teil des Arbeitsentgeltes in das Wertguthaben eingebracht wird und die Mitarbeitenden somit während des Bemessungszeitraums weniger verdienen. Mit dieser Reduzierung des Einkommens im Bemessungszeitraum kann dann im Einzelfall die Einkommensgrenze von EUR 150.000 unterschritten werden.

Allerdings ist zu beachten, dass, wenn sodann das im Wertguthaben angesparte Entgelt, während der Elternzeit ausgezahlt wird, dieses wiederum vollständig als erzieltes Einkommen i.S.d. § 2 Abs. 3 BEEG zählt und damit das Elterngeld in dieser Höhe gemindert wird. Dabei ist unerheblich, dass die ausgezahlte Vergütung während der Elternzeit eigentlich vor dieser verdient wurde. Allein maßgeblich ist der Auszahlungszeitpunkt.

Somit kann durch eine Wertguthabenvereinbarung nicht erreicht werden, dass der Elterngeldanspruch für Spitzenverdienende entsteht. Jedoch kann mit einer solchen Vereinbarung das Arbeitsentgelt der Mitarbeitenden gleichmäßiger auf die Zeit vor und während der Elternzeit aufgeteilt werden, sodass trotzdem ein Teil angespart und später ausgezahlt wird, um einen Zeitraum ohne Einkommen zu vermeiden.

Diese Möglichkeit können Betriebe ihren Mitarbeitenden, die voraussichtlich über der neuen Einkommensgrenze liegen werden, anbieten. Dabei sollte aber auch der Hinweis erteilt werden, dass hierdurch kein Anspruch auf Elterngeld entsteht. Dennoch stellt dies eine ggf. interessante Variante für Arbeitnehmende dar.

Das betriebliche Elterngeld – eine andere Möglichkeit?

Betriebe könnten ihren Mitarbeitenden, wenn diese aufgrund der Einkommensgrenze kein Elterngeld beziehen, auch ein ,,betriebliches Elterngeld‘‘ während des ersten Lebensjahres des Kindes zahlen. Auch diese freiwillige Arbeitgeberleistung kann den fehlenden Elterngeldanspruch kompensieren. Inwiefern die Arbeitgeber hieran ein Interesse haben, bleibt aber der Abwägung jedes einzelnen Arbeitgebers überlassen.

Die Teilzeitregelung vor der Elternzeit – eine weitere Variante?

Die Arbeitnehmenden, die in naher Zukunft Elterngeld beziehen wollen, könnten ebenso im Berechnungszeitraum lediglich in Teilzeit arbeiten, um die Einkommensgrenze nicht zu überschreiten. Auch hierbei ist es vom jeweiligen Einzelfall abhängig, inwiefern dies eine interessante Variante für die Mitarbeitenden darstellen kann.

Fazit

Ob es noch zu Änderungen kommt, bleibt angesichts der vielfach geäußerten Kritik abzuwarten. Der Bundestag stimmt final über das Haushaltsgesetz nach Abschluss der zweiten Haushaltswoche ab – am 01.12.2023. Bis dahin sind noch Änderungen möglich.

Kommt es tatsächlich zu der anvisierten Absenkung der Einkommensgrenze in dem derzeit geplanten Ausmaß, so bleibt festzuhalten: Die von dem neuen Grenzwert betroffenen Arbeitnehmenden müssen im Einzelfall abwägen, ob sie ein Interesse daran haben, mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung über ein Wertguthaben zu treffen. Hierdurch ergibt sich der Vorteil, dass somit eine kontinuierliche Vergütung – auch während der Elternzeit – erfolgt und das Arbeitsentgelt nicht vollständig entfällt. Gleichzeitig können unbedenklich nicht anrechenbare Bezüge gezahlt werden, ohne, dass sich das Einkommen im Bemessungszeitraum erhöht oder ein eventuell bestehendes Elterngeld gemindert wird.

 

 

Dr. Anja Naumann, LL.M.

Rechtsanwältin

Sven Groschischka

Rechtsanwalt

 

 

 

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