Das Arbeitsrecht im neuen Jahr – Die wichtigsten Änderungen für 2024 im Überblick

Auch im Jahr 2024 gibt es viele Neuerungen, über die sich Arbeitgeber informieren sollten. Es gibt einige Reformen, die besonders für Eltern oder werdende Eltern relevant sind. Aber auch in anderen Bereichen mit arbeitsrechtlichem Bezug ändert sich einiges. Über diese und alle weiteren wesentlichen arbeitsrechtlichen Entwicklungen informieren wir Sie in unserem aktuellen Beitrag.

Familienstartzeitgesetz

Eigentlich sollte mit Beginn des neuen Jahres ein neues Gesetz in Kraft treten, wonach ein Elternteil nach der Geburt des Kindes zur Unterstützung der Partnerin in der Zeit des Wochenbetts zehn Arbeitstage bei voller Vergütung freigestellt werden soll. Die Regelung soll dafür sorgen, den anderen Elternteil schon frühzeitig in die Care-Arbeit einzubeziehen und eine partnerschaftliche Teilung der Aufgaben zu ermöglichen. Bislang existieren keine Regelungen zur Freistellung des Partners oder der Partnerin der Frau, die das Kind zur Welt bringt. Vielmehr muss der andere Elternteil hierfür bislang den gesetzlichen und/oder vertraglichen Erholungsurlaub nutzen. Da die Übernahme der Fürsorgeverantwortung jedoch nicht der Erholung des Partners oder der Partnerin dient, sondern die Frau in der Zeit des Wochenbetts unterstützt werden soll, wird die bisherige Praxis vermehrt als nicht sachgerecht kritisiert.

Die neuen Regelungen sollen auch für alleinerziehende Mütter gelten. Da diese ebenfalls unmittelbar nach der Geburt mehr entlastet werden sollen, können sie eine Person benennen, die sie als Partner oder Partnerin anstelle des anderen Elternteils nach der Entbindung unterstützen kann.

Der aktuelle Gesetzesentwurf befindet sich jedoch seit Monaten in der Ressortabstimmung. Denn innerhalb der Bundesregierung bestehen Unstimmigkeiten bei der Finanzierung. Nach dem bisherigen Entwurf soll das Vorhaben – wie beim gesetzlichen Mutterschutz – im Umlageverfahren finanziert werden. Hierbei geht das federführende Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von jährlichen Umlagekosten für die Arbeitgeber in Höhe von rund EUR 556.000.000,00 aus. Dieser Mehraufwand wird u.a. vom Arbeitgeberverband BDA stark kritisiert. Auch wenn durch das Familienstartzeitgesetz im Grunde genommen lediglich die Vorgaben einer europäischen Richtlinie umgesetzt werden sollen und die hierfür vorgesehene Umsetzungsfrist längst abgelaufen ist, ist mit dem baldigen Inkrafttreten des Gesetzes angesichts der massiven Unstimmigkeiten hinsichtlich der Finanzierung nicht zu rechnen.

Neuregelung beim Kinderkrankengeld

Bisher hatte jeder Elternteil regulär je Kalenderjahr für jedes Kind höchstens für zehn Arbeitstage einen Anspruch auf Kinderkrankengeld. Alleinerziehende hatten einen Anspruch auf 20 Arbeitstage je Kind. Die Höchstgrenze des Anspruchs lag je Elternteil bei 25 Arbeitstagen Kinderkrankengeld pro Kalenderjahr, für Alleinerziehende betrug das Gesamtvolumen 50 Arbeitstage.

Mit Wirkung zum 1. Januar 2024 wurden durch das Pflegestudiumstärkungsgesetz Änderungen beim Kinderkrankengeld eingeführt. Danach wurden die Anspruchstage auf Kinderkrankentagegeld für die Kalenderjahre 2024 und 2025 erhöht. Nunmehr können Elternteile 15 Tage pro Kind Kinderkrankengeld beziehen. Alleinerziehende erhalten nun einen Anspruch von 30 Arbeitstagen pro Kind. Die Gesamtzahl der Anspruchstage beträgt nun 35 Arbeitstage im Jahr pro Elternteil und für Alleinerziehende 70 Arbeitstage.

Telefonische Krankschreibung

Seit dem 7. Dezember 2023 können sich Arbeitnehmer, die an leichten Atemwegserkrankungen, insbesondere leichten grippalen Infekten (Husten, Schnupfen oder Heiserkeit), leiden, wieder per Telefon von ihrem Arzt krankschreiben lassen. Seit dem 18. Dezember 2023 können Eltern auch eine ärztliche Bescheinigung über die Erkrankung ihrer Kinder per Telefon erhalten. Voraussetzung hierfür ist in beiden Fällen, dass die Patientinnen und Patienten in der Praxis bekannt sind und keine schweren Symptome vorliegen.

Die Krankschreibung per Telefon ist von nun an – anders als noch während der Corona-Pandemie – dauerhaft möglich. Der behandelnde Arzt soll am Telefon Fragen zu den Beschwerden der erkrankten Person stellen und sodann entscheiden, ob die Krankschreibung telefonisch erfolgen kann oder doch eine Untersuchung in der Praxis nötig ist. Eine telefonische Verlängerung der zuvor bereits telefonisch erfolgten Krankschreibung ist nicht möglich. Für eine Folgebescheinigung muss die Praxis aufgesucht werden.

Erhöhung des Mindestlohns und Erhöhung der Grenzwerte bei Minijobs

Seit dem 1. Januar 2024 liegt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn bei einem Betrag in Höhe von EUR 12,41 brutto. Damit erhöhen sich auch die Grenzwerte bei Minijob und Midi Job. Die monatliche Verdienstgrenze für geringfügig Beschäftigte, also Minijobber, ist dynamisch und orientiert sich am gesetzlichen Mindestlohn. Mit dessen Erhöhung liegt die neue Grenze nun bei einem Betrag in Höhe von EUR 538,00 brutto. Die Jahresverdienstgrenze steigt folglich auf einen Gesamtbetrag in Höhe von EUR 6.456,00 brutto.

Pflicht zur Einrichtung einer Whistleblowing-Meldestelle für Unternehmen ab 50 Beschäftigten

Bereits seit dem 2. Juli 2023 gilt das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten. Für Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten ist zudem die Frist zur Umsetzung der im HinSchG enthaltenen Vorgaben am 17. Dezember 2023 ausgelaufen. Die betroffenen Unternehmen müssen also nunmehr eine interne Meldestelle eingerichtet haben. Verstöße können als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu EUR 20.000,00 geahndet werden.

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten und gilt zunächst für Unternehmen mit mindestens 3.000 Arbeitnehmern im Inland. Ab dem 1. Januar 2024 wurde der Anwendungsbereich des Gesetzes auf Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern in Deutschland ausgeweitet. Seit Anfang des Jahres müssen daher auch diese Unternehmen die Risiken in ihren Lieferketten ermitteln, bewerten und priorisieren. Außerdem sind Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, um Verstöße gegen die Menschenrechte sowie Schädigungen der Umwelt zu vermeiden oder zu minimieren. Zudem muss ein Beschwerdekanal für Personen innerhalb der Lieferketten eingerichtet sein und die Unternehmen müssen regelmäßig über ihr Lieferkettenmanagement berichten.

Bürokratieentlastung und Fortschritte im Bereich Digitalisierung

Zum Abbau von bürokratischen Hürden hat das Bundeskabinett Ende Oktober 2023 die Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz verabschiedet. Dieses Eckpunktepapier enthält unter anderem Vorschläge für einige formale Vereinfachungen im Arbeitsrecht. So soll etwa die elektronische Form zur Standardform werden. Im Nachweisgesetz soll festgelegt werden, dass Arbeitgeber nicht stets einen schriftlichen Nachweis über die wesentlichen Vertragsbedingungen vorlegen müssen. So soll die Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen zu erteilen, entfallen, wenn und soweit ein Arbeitsvertrag in einer die Schriftform ersetzenden elektronischen Form geschlossen wurde. Entsprechendes soll für in elektronischer Form geschlossene Änderungsverträge bei Änderungen wesentlicher Vertragsbedingungen gelten. Ausnahmen sollen lediglich für die Wirtschaftsbereiche und Wirtschaftszweige nach § 2a Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes gelten (z.B. Gebäudereinigungs-, Bau-, Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe).

Auch für die Ausstellung von Arbeitszeugnissen soll die elektronische Form ermöglicht werden. Das Arbeitszeitgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz sollen so angepasst werden, dass die jeweiligen Aushangpflichten des Arbeitgebers auch erfüllt werden, wenn dieser die erforderlichen Informationen über die im Betrieb übliche Informations- und Kommunikationstechnik (z.B. das Intranet) elektronisch bereitstellt. Hierfür müssen jedoch alle Beschäftigten freien Zugang zu den Informationen haben. Darüber hinaus soll das Erfordernis der Schriftform im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz für Anträge auf Arbeitszeitverkürzung und deren Ablehnung sowie die Geltendmachung des Anspruchs auf Elternzeit durch die Textform ersetzt werden.

Im Zuge dessen hat das Bundesministerium der Justiz am 11. Januar 2024 den Referentenentwurf zu einem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz veröffentlicht. Dieser bleibt jedoch im Arbeitsrecht weit hinter den im Eckpunktepapier formulierten Zielen zurück. So sind vor allem die erhofften Entlastungen im Nachweisgesetz ausgeblieben. Vielmehr hält das Arbeitsministerium weiterhin an der Papierform bzw. der "beweiskräftigen" elektronischen Form mit amtlich anerkannter digitaler Signatur als einzige Alternative fest. Der Nachweis in "einfacher" elektronischer Form, also digitale Nachweise per E-Mail oder durch Einstellen in ein passwortgeschütztes Mitarbeiterportal, ist nach wie vor ausgeschlossen und damit bußgeldbewehrt. Es ist davon auszugehen, dass also leider vorerst die Bürokratiekosten für die Wirtschaft weiter immens hoch bleiben werden. Dies geht einher mit einem Standortnachteil im internationalen Wettbewerb, da v.a. ausländischen Fachkräften das Festhalten am analogen Verfahren kaum zu vermitteln ist. Es bleibt nur zu hoffen, dass seitens des Arbeitsministeriums doch noch eingelenkt und der Referentenentwurf um eine Übermittlung der wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsvertrags in digitaler Form ergänzt wird.

In diesem Sinne: Wir wünschen Ihnen ein frohes, erfolgreiches und vor allem gesundes neues Jahr!

 

 
Prof. Dr. Marion Bernhardt
Rechtsanwältin | Partnerin
 

 

Dr. Ulrich Becker
Rechtsanwalt I Partner
 

 

 

Sven Groschischka
Rechtsanwalt | Counsel

 
 

 

 

Link zur Homepage: cms.law

 

Zurück