Betriebsratsvergütung: Schafft das neue Gesetz endlich Rechtssicherheit für Arbeitgeber?

Anfang dieses Jahres entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass der Straftatbestand der Untreue erfüllt sein kann, wenn ein Vorstandsmitglied oder ein Prokurist einer Aktiengesellschaft einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt. In der Praxis bestehen seit langem Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Anwendung der sich aus § 37 Abs. 4 und § 78 BetrVG ergebenden Grundsätze zur Bemessung der Höhe der Betriebsratsvergütung. Das BGH-Urteil vom 10.01.2023 war nun scheinbar der letzte Anstoß, den die Bundesregierung brauchte, um Klarheit in der Frage, wie Betriebsräte ordnungsgemäß zu vergüten, sind zu schaffen. Die von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eingesetzte Kommission „Rechtssicherheit in der Betriebsratsvergütung“ erarbeitete einen Gesetzesentwurf, welchen die Bundesregierung am 1. November 2023 beschloss. Ob der Entwurf die erhoffte Klarheit schafft und welche Änderungen vorgesehen sind, lesen Sie in diesem Beitrag.

Überblick und Ziel des Entwurfs

Der Bundesgerichtshof nahm in seiner Urteilsbegründung auch auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Bezug, definierte aber nicht alle Aspekte zur Bestimmung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Daraus resultierten in der Praxis Rechtsunsicherheiten. Unternehmen haben vermehrt die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern präventiv gekürzt. Um negative Folgen für die betriebliche Mitbestimmung insgesamt auszuschließen, hält die Legislative gesetzliche Maßnahmen für notwendig. Gleichzeitig soll dabei die Möglichkeit der Aufklärung und Ahndung von Verstößen gegen das Begünstigungsverbot nicht eingeschränkt werden. Vorgesehen sind Ergänzungen der § 37 Abs. 4 und § 78 S. 2 BetrVG.

Bei der Betriebsratsvergütung handelt es sich nicht um ein Entgelt für die Betriebsratstätigkeit. Die Betriebsräte führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt (§ 37 Abs. 1 BetrVG), weshalb sie für ihre Betriebsratsarbeit nicht entlohnt werden. Stattdessen gilt das Lohnausfallprinzip. Soweit die ordnungsgemäße Ausübung ihres Amtes es erfordert, sind die Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien. Der Arbeitslohn wird also fortgezahlt. Zur Wahrung der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Mitglieder des Betriebsrats dürfen diese nach § 78 Satz 2 BetrVG wegen ihrer Betriebsratstätigkeit nicht begünstigt und nicht benachteiligt werden. Sie dürfen also aufgrund ihres Amtes nicht geringer entlohnt werden als vergleichbare Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Aufgrund des Begünstigungsverbots dürfen sie aber auch nicht höher entlohnt werden. Diese hypothetische Berechnung bereitet bei der Kalkulation der Vergütung in der Praxis große Schwierigkeiten. Der Gesetzesentwurf setzt nun genau hier an. Dabei enthält der Entwurf keine komplette Neuregelung. Stattdessen werden Vorgaben zur genauen Berechnung gemacht.

Zeitpunkt der Vergleichsgruppenbildung (§ 37 Abs. 4 BetrVG)

Derzeit sichert die Norm den Betriebsräten einen Mindestschutz zu. So darf ihre Vergütung einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung. Das bedeutet aber auch, dass die Betroffenen einen Anspruch auf ein erhöhtes Entgelt haben, wenn die Vergleichsgruppe aufgrund der betriebsüblichen Entwicklung einen höheren Lohn erhält.

Bislang war nicht geregelt, auf welchen Zeitpunkt bei der Vergleichsgruppenbildung abzustellen ist. Das BAG stellte hierfür auf die erstmalige Amtsübernahme ab, also den Zeitpunkt, vor dem das Betriebsratsmitglied noch vollumfänglich seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit nachgegangen ist. Diese Ansicht wird nun vom Gesetzgeber übernommen. Gleichzeitig dürfte dieser damit die Rechtsprechung des BAG übernehmen, nach der es nicht möglich ist, alternativ auf einen anderen Zeitpunkt, wie etwaig die später erfolgte Freistellung von der beruflichen Tätigkeit, abzustellen. Der Wortlaut lässt hier insoweit keinen Spielraum.

Neubestimmung der Vergleichsgruppen

Der neu eingefügte Satz 3 sieht allerdings die Möglichkeit vor, die Vergleichsgruppe zu einem späteren Zeitpunkt neu zu bestimmen, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Um dies etwas plastischer zu machen, nennt der Gesetzgeber das Beispiel eines Betriebsratsmitglieds, welches die Anforderungen einer höherdotierten Stelle erfüllt und mit dem Arbeitgeber einen entsprechenden Änderungsvertrag schließt. In dieser Konstellation kann die Vergleichsgruppe aus sachlichem Grund neu zu bestimmen sein. Etwas unverständlich ist der Bezug des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des BAG. Die zitierte Entscheidung vom 23. November 2022 (Az.: 7 AZR 122/22) äußert sich nicht zu der Neubestimmung der Vergleichsgruppen.

Trotzdem ist diese Neuregelung zu begrüßen. Sie stellt sicher, dass Veränderungen mit Relevanz für die Vergleichsgruppenbildung zugunsten des Betriebsratsmitglieds berücksichtigt werden können. Auf diese Weise lässt sich eine unzulässige Benachteiligung vermeiden.

Konkretisierung der Vergleichsgruppen

Der Regierungsentwurf sieht vor, dass Betriebsparteien durch eine Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Bestimmung vergleichbarer Arbeitnehmer festlegen können, was teilweise die gelebte Praxis ist. Auch hiermit liegt der Gesetzgeber mit dem BAG auf einer Linie. § 37 BetrVG ist unabdingbares Recht, von dem auch nach der Reform weder individualvertraglich noch kollektivvertraglich abgewichen werden kann. Rechtlich erlaubt waren nach dem BAG aber konkretisierende Vereinbarungen, die maßgebliche Kriterien zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer aufstellten. Das galt jedenfalls so lange, wie die gesetzlichen Vorgaben zur Betriebsratsvergütung beachtet wurden. Geschah dies nicht, waren die Vereinbarungen nichtig.

Auch hier ist die Übernahme der Rechtsprechung in das Gesetz zu begrüßen. Der Entwurf sieht vor, dass Betriebsvereinbarungen und Vereinbarungen zur Festlegung der konkreten Vergleichspersonen nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden können. Die Betriebsparteien erhalten damit einen Beurteilungsspielraum. Dessen Grenzen werden durch die Rechtsprechung des BAG zu den Kriterien der Vergleichbarkeit markiert. Überschritten werden sie, wenn die Vereinbarung sachwidrige Kriterien zur Festlegung der Vergleichbarkeit enthält oder wesentliche Kriterien unbeachtet gelassen werden. Zudem müssen die Kriterien in ein angemessenes Verhältnis zueinander gesetzt bzw. dürfen nicht eindeutig fehlerhaft gewichtet werden. Außerdem endet der Beurteilungsspielraum dort, wo die in der Betriebsvereinbarung aufgestellten Vergleichsgruppenkriterien missachtet werden und die Bildung der Vergleichsgruppe offensichtlich unzulänglich ist.

Ein Vorteil dieser Regelung liegt in der erhöhten Transparenz der Vergleichsgruppenbildung. Durch solche Vereinbarungen können das Verständnis und die Akzeptanz der betroffenen Arbeitnehmer und Betriebsräte gefördert werden. Unklar ist jedoch, warum sich das Gesetz auf Betriebsvereinbarungen festlegt. So hätte man an dieser Stelle auch weitere Möglichkeiten, wie eine Regelungsabrede, zulassen können. Kritik gibt es auch von den Gewerkschaften, da eine solche Betriebsvereinbarung laut Entwurf nicht durch ein Initiativrecht des Betriebsrats durchgesetzt werden kann.

Berechnungsweise bei Fehlen einer Vergleichsgruppe

Der Gesetzestext lässt eine Regelung für den Fall, dass es im Unternehmen keine Vergleichspersonen gibt, vermissen. Allerdings bezieht die Gesetzesbegründung hierzu Stellung, wenn auch nicht gerade überzeugend. Fehlen im Betrieb Vergleichspersonen, können nach der Begründung vergleichbare Arbeitnehmer eines anderen Betriebs herangezogen werden. Diese Auffassung ignoriert, dass es auch in unterschiedlichen Betrieben eines Unternehmens verschiedene Gehaltsniveaus geben kann, was zu unbilligen Ergebnissen führen kann. Das wird insbesondere dann deutlich, wenn das Betriebsratsmitglied in Parallele zu den Mitarbeitern eines anderen Betriebs gesetzt wird und an dessen Gehaltserhöhungen teilhat, während das Gehaltsniveau seines tatsächlichen Betriebs gleichbleibt. Da Betriebsratsmitglieder auch Zuschläge und Sonderzahlungen erhalten, steigt das Risiko einer unzulässigen Begünstigung noch weiter, wenn diese zusätzlichen Lohnbestandteile nur im Betrieb der Vergleichsgruppe ausgeschüttet werden.

Es bleibt daher abzuwarten, ob der Gesetzgeber diesen Punkt im Laufe des Verfahrens noch einmal überdenkt.

Konkretisierung der Kriterien für den beruflichen Aufstieg

Zusätzlich soll § 78 BetrVG erweitert werden: Eine Bevorzugung oder Benachteiligung hinsichtlich des gezahlten Arbeitsentgelts ist nicht gegeben, wenn das Gremienmitglied die betrieblichen Anforderungen und Kriterien für die Gewährung des Arbeitsentgelts erfüllt und die Festlegung nicht fehlerhaft ist. Damit werden insbesondere für den beruflichen Aufstieg Kriterien festgelegt, anhand derer sich bei der Gewährung orientiert werden kann.

Die Begründung spricht hier von einem fiktiven Beförderungsanspruch. Ein solcher besteht, soweit eine konkret zu besetzende Position vorhanden ist, das Betriebsratsmitglied über die Qualifikationen für diese Position verfügt und aus Sicht des Arbeitgebers kein anderer Bewerber aus sachlichen Gründen vorzugswürdig ist. Da sich Personalauswahlentscheidungen in der Privatwirtschaft nicht nach objektiv feststellbaren Kriterien richten müssen, genügt auf Arbeitgeberseite eine plausible und nachvollziehbare Eingruppierung, die auch auf subjektiven, diskriminierungsfreien Einschätzungen und Bewertungen beruhen darf. Die Grenze ist aber dann erreicht, wenn die Parteien vernünftigerweise nicht davon ausgehen konnten, eine zutreffende Bewertung einer hypothetischen beruflichen Entwicklung getroffen zu haben.

Darüber hinaus geht aus dem Regierungsentwurf und der Begründung hervor, dass bei der Besetzung von Stellen auch während der Amtszeit erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen berücksichtigt werden dürfen, sofern sie im Unternehmen auch außerhalb des Betriebsratsamtes für die jeweilige Stelle relevant für Karriere und Vergütung sind. Dagegen dürfen durch Betriebsratstätigkeit erworbene Kompetenzen wie z.B. „Verhandeln auf Augenhöhe“ oder „komplexe Aufgabenwahrnehmung“ nicht berücksichtigt werden, da diese unzulässigerweise an die Betriebsratstätigkeit anknüpfen. Die Abgrenzung dürfte praktisch zu Schwierigkeiten führen. Gerade bei nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern dürfte es schwer sein zu bestimmen, ob sie als Arbeitnehmer oder Amtsträger zusätzliche Kenntnisse erwarben.

Fazit

Der Entwurf – aktuell auf Initiative der Bundesregierung als besonders eilbedürftige Vorlage dem Bundestag zugeleitet – ist hoffentlich nur ein Anfang, auf den weitere Bestimmungen folgen werden. Die Klarstellungen sind überwiegend zu begrüßen, doch der große Fang ist dem Gesetzgeber nicht gelungen. Es bleiben viele Fragen offen, wie zum Beispiel das Verhältnis zwischen Entgelt- und Tätigkeitsschutz. Auch die Bildung einer Vergleichsgruppe bleibt der Praxis überlassen. Hier bedarf es weiterer Anstöße von Seiten der Legislative. Es bleibt zu hoffen, dass dies beim nächsten Mal geschieht, ohne dass der BGH zuvor ein Strafurteil fällt.

 

 

Dr. Anja Naumann, LL.M.

Rechtsanwältin

Sven Groschischka

Rechtsanwalt

 

 

 

Link zur Homepage: cms.law

 

Zurück